#KrachStattKlatschen

Rede zur Kundgebung "Gesundheit statt Profite" am 04.07.2020

Die Corona-Krise hat die Krise des kapitalistisch organisierten Gesundheitssystems für alle sichtbar zu Tage treten lassen. Zugleich übernimmt mit Asklepios einer der größten profitorientierten Gesundheitskonzerne Deutschlands das einzige privatisierte Unikinikum: Die Universitätsklinik Gießen-Marburg (UKGM). Das Aktionsbündnis Gemeinsam für unser Klinikum, in dem wir als IL aktiv sind, veranstaltete aus diesem Anlass am Samstag, den 04.07.2020, eine Kundgebung unter dem Motto "Gesundheit statt Profite".  Wir dokumentieren hier unsere Rede:

>>In Corona-Zeiten reden alle über die "systemrelevanten" Berufe . Diese Krise führt uns allen nochmal vor Augen, dass die "systemrelevanten" Berufe nicht in Banken und Vorstandsetagen zu finden sind. Es sind die vielen Arbeiter*innen in der Post, in den Lebensmittelgeschäften und in der Pflege in den Krankenhäusern und Pflegeheimen; es sind die LKW-Fahrer*innen, die die Geschäfte beliefern, die Arbeiter*innen bei den Energieversorgern und den Wasserwerken, die Systemadministrator*innen, die das Internet am Laufen halten. Recht schnell hat sich in vielen Städten für einen Teil dieser Berufe das abendliche Klatschen etabliert. Kirchen läuten in Solidarität die Glocken. Aber was heißt Solidarität eigentlich noch für uns, wenn das das einzige ist, was wir für diese Arbeiterinnen und Arbeiter übrig haben? Nach der Krise gibt es dann maximal noch einen feuchten Händedruck dazu, ein Foto und Interview für die Lokalzeitung und ein "Dankeschön für den außergewöhnlichen Einsatz" vom Chef? Das soll Solidarität und Dankbarkeit sein? Klatschen bezahlt noch lange keine Miete!

Wenn wir von Pflege und Fürsorge sprechen, dann ist Arbeit für einen feuchten Händedruck gar nicht so selten. Die allermeisten Pflege- und Versorgungsarbeiten werden nicht im professionellen Gesundheitssystem erbracht, sondern zuhause. Meist sind es Frauen, die sich als Mütter, Partnerinnen, Töchter und Schwestern der kleineren und größeren Wehwehchen annehmen. Und diese un- bzw. unterbezahlte, unsichtbare und psychisch sowie emotional auszehrende Arbeit ist sowas von systemrelevant! Es sind diese Arbeiten, die den Kollaps der Gesellschaft im Großen wie im Kleinen verhindern. Eine Gesellschaft, deren Stabilität auf der Ausnutzung von Hilfbereitschaft basiert und diese ökonomisch ausbeutet, kann nicht sozial und gerecht sein. Hilfsbereitschaft und Fürsorge werden noch immer als vorwiegend weiblich charakterliche Selbsverständlichkeiten gesehen und nicht als Ressourcen, die Menschen verbrauchen. Sowohl in der privaten Care-Arbeit wie im professionellen Gesundheitswesen. Auch im Professionellen gilt das alte Gesetz: Je weiter unten in der Hierarchie, desto mehr Frauen sind es, deren Empathie und Fürsorglichkeit ausgebeutet wird.

"Ausgebeutet" ist das richtige Wort, denn Krankenhäuser sind zu Unternehmen umgebaut worden, die sich an Preisen orientieren. In allen Krankenhäusern gilt das System der Fallpauschalen - Behandlungen bekommen dadurch ein Preisschild. Behandelt wird vorzugsweise, was sich gut abrechnen lässt: das führt zu einer unsäglichen "Mengenausweitungen" von teuren und / oder unnötigen Behandlungen; auf dem Spiel steht dabei nicht nur die Gesundheit und das Leben der Patient*innen, sondern auch die des überlasteten Gesundheitspersonals - der Ärzt*innen und Pflegefachkräfte. Dies zeigt sich besonders am einzig privatisierten Uniklinikum in Deutschland, dem UKGM. Gut für andere Standorte von Unikliniken, muss man sagen, denn die Privatisierung ist ein kompletter Irrwitz. Bedarfsorientierte Versorgung, hochqualifizierte Grundlagenforschung und die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses unter dem Dach einer Aktiengesellschaft organisieren zu wollen - auf so eine Idee können wirklich nur realitätsferne Marktfetischist*innen kommen. Die Privatisierung steigert den wirtschaftlichen Druck noch – das Ergebnis ist ein krasser Personalmangel in der Pflege und in den anderen Berufen. Personalmangel macht krank, Personalmangel tötet. Wir fordern: klare Regeln für die Personalbemessung! In der Pflege, in der Reinigung, überall!
Das einzige Häppchen, was Gesundheitsminister Jens Spahn den protestierenden Pflegekräften hier bereits hingeworfen hat, sind die Personaluntergrenzen. Diese gelten nur in wenigen Bereichen, und definieren - wie der Name sagt - ein gerade noch akzeptables Minimum. Jetzt wurden sogar diese bescheidenen Untergrenzen außer Kraft gesetzt, weil eine Überlastung des Systems durch die Pandemie befürchtet wird. So viel ist klar, das sorgt nicht gerade für Begeisterung unter den Beschäftigten im Krankenhaus - sie werden sich nicht jeden Mist gefallen lassen!

Nun sollen sich die Besitzverhältnisse am UKGM erneut ändern, der Asklepios-Konzern will Rhön übernehmen. Die Praxis an vielen anderen Asklepios-Kliniken sieht so aus, dass es häufig nicht einmal Tarifverträge für Beschäftigte gibt. Dadurch ist zu befürchten, dass sich die Arbeitsbedingungen auch am UKGM weiter verschlechtern, dass Gewerkschaftsbekämpfung und die Ausgliederung von Betriebsteilen auf die Tagesordnung rücken. Auf solche Sachen müssen wir uns vorbereiten! Wenn Asklepios irgendwelche Anstalten macht, noch mehr aus den Beschäftigten am Klinikum rauszupressen, dann werden wir die Kolleg*innen in ihren Abwehrkämpfen unterstützen.Das ist unsere Antwort auf die Solidaritätsfrage. Zusammen solidarisch handeln und kämpfen!

Letztlich kann es aber nicht darum gehen, sich einen "guten", einen maßvollen Investor zu wünschen - die Investoren sollen sich ganz aus dem Gesundheitswesen verpissen! Die Versorgung unserer Krankheiten, die Pflege unserer Gesundheit ist nichts, was den Gesetzen des Profits untergeordnet sein sollte. Das Gesundheitswesen gehört unter demokratische Kontrolle! Keine Profite mit unserer Gesundheit!

Wir fordern, die Fallpauschalen abzuschaffen!
Wir fordern verbindliche Personalbemessung und bessere Bezahlung!
Löhne rauf, Konzerne raus!<<