Liebe Freundinnen und Freunde,
wir stehen hier vor dem Haus der Naziburschenschaft Normannia-Leipzig. Ein Haus, das einer völkisch-nationalistischen Verbindung Obdach bietet, ein Haus, in dem man sich besoffen mit Schwertern die Köpfe einschlägt, dabei vom Großdeutschen Reich träumt und rassistische Parolen grölt. Liebe Antifaschist*innen, wie gut, dass wir hier draußen so viele sind!
Die Normannia-Leipzig ist ein wichtiges Symbol in der Vernetzung der Neuen Rechten, so wichtig, dass der klägliche Rest, der von ihr heute noch übrig ist, von anderen Naziburschenschaften künstlich am Leben gehalten wird. Ohne diese "Stützburschen" aus anderen Verbindungen - vor allem zu nennen sind hier die extrem rechten Rheinfranken und Germanen - würde diese Burschenschaft schon lange nicht mehr existieren.
Wie aber kann es sein, dass dieser mickrige Haufen sich eine solche Villa mitten in der Stadt leisten kann? Bei den allermeisten Verbindungen stellen Hausvereine die Finanzierung für die Unterhaltung der Gebäude. Und über diese hält der Staat seine schützende Hand! Denn trotz aller faschistischer Tendenzen, trotz Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus in den Burschenschaften gewährt der deutsche Staat diesen Trägervereinen in der Regel den Status der Gemeinnützigkeit. So werden Burschenschaften unter dem Deckmantel der "Brauchtumspflege" fröhlich weiter subventioniert; das Finanzamt gesteht Steuerprivilegien zu und damit können Spenden von der Steuer abgesetzt und sogar Coronahilfen beantragt werden.
Doch wie können Vereine gemeinnützig sein, die sich nur an weiße, deutsche, hetero (Cis-)Männer richten?
Wie können Vereine gemeinnützig sein, die ein klar antisemitisches Weltbild propagieren?
Wie können Vereine gemeinnützig sein, deren „Brauchtumspflege“ darin besteht, sich regelmäßig voll laufen zu lassen? Das ist doch Quatsch!
Ohne diesen Status der Gemeinnützigkeit wäre der Unterhalt der Villen kaum möglich und die Mehrzahl der Verbindungen wäre schon lange aus dem Stadtbild verschwunden. Stattdessen hilft der Staat Räume zu erhalten, in deren Bierkellern gegen Ausländer*innen und Andersdenkende gepöbelt wird und extrem rechte Netzwerke gesponnen werden. Und das muss ein Ende haben!
Es ist eine schöne, symbolische Geste, dass unser Oberbürgermeister sich an einem Tag wie heute blicken lässt und sich solidarisch mit uns erklärt. Aber schöne Worte reichen nicht. Wir brauchen auch Taten. Wir brauchen Aufklärungskampagnen, damit sich Erstsemester nicht in Burschenschaften und Verbindungen verirren. Wir brauchen bezahlbare Wohnungen, damit das Konzept von "bezahlbarer Miete gegen Lebensbund" überflüssig wird. Wir brauchen eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Burschenschaften – stattdessen braucht es eine vergesellschaftung dieser Häuser und die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum. Es ist eine Farce, dass im Gegensatz dazu der Staat linke Organisationen mit Repressionen überzieht. Während rechte Vereine auf Biegen und Brechen als gemeinnützig verteidigt werden, wird antifaschistischer Arbeit die Gemeinnützigkeit entzogen. Mit der Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus ist dies bereits geschehen. Dabei ist doch eins klar, wie Esther Bejarano sagte: "Was kann gemeinnütziger sein als Antifaschismus? Es ist eine Arbeit für die Gesellschaft."
So müssen wir leider feststellen: Als Antifaschist*innen können und wollen wir uns nicht auf den Staat verlassen. Wir müssen hier auf der Straße für unsere Ideale kämpfen. Antifa bleibt Handarbeit - Alerta!